Man nehme eine Bio-Orange, 2 Stangen Zimt, 6 Nelken, 4 Sternanis und eine Flasche trockenen Rotwein. Die Orange wird gewaschen, getrocknet und in Streifen geschnitten. Wein, Orangenscheiben und Gewürze in einen Topf geben und langsam erwärmen. Der Wein darf niemals kochen. Von der Flamme nehmen und 1 Stunde ziehen lassen, danach wieder erwärmen und durch ein Sieb in Tassen oder Gläser füllen. Soweit das Rezept für einen klassisch zubereiteten Glühwein. In der Realität sieht das meist anders aus: Eine Flasche billiger Fusel aus Übersee wird mit Zimt und Nelkenaroma bis zur Geschmacksgrenze aufgepeppt, dazu reichlich Zucker und ein winziges Stücklein Orange. Das ganz auf 200°C erhitzen, damit jede noch intakte Geschmacksknospe sich für die nächsten 2 Stunden verschließt und fertig ist das Weihnachtsmarkt-Glühwein-Getränk.
Doch egal wie man den Glühwein zubereitet, eigentlich geht es hier um die jährliche Glühwein-Tour. Diesmal trafen sich zur lustigen Runde im kalten Wald die Memmen Oliver, Steffen N, Thomas, Steffen T., Andreas, Mülli, Schlotti und für alle überraschend Karl und Lottel. Karl, der erst vor einigen Wochen die letzten Nägel aus dem Schlüsselbein entfernt bekam, hatte am Abend vor der Tour scheinbar so traurig geschaut, dass seine Liebste ihm doch die Freigabe zur Teilnahme erteilte. Natürlich nur unter der Voraussetzung, dass er kein unnötiges Risiko eingeht. Die zweite Überraschung war die Teilnahme unserer Schwabenmemme Lottel. Er war bestimmt schon 10 Jahre nicht mehr dabei. Umso größer war nun die Freude ihn wieder auf einer gemeinsamen Tour begrüßen zu dürfen.
Die Tour startete traditionell am Bahnhof in Neustadt. Im Prinzip ein guter Ausgangspunkt, wenn nicht gleich der erste Anstieg so hefig und mühsam wäre. Wir fuhren vom Bahnhof aus Richtung Wolfsburg. So hatten wir schon nach 3 km über 200 Hm auf dem Tacho stehen. Weiter ging es zum Forsthaus Silbertal. Nach 12 km erreichten wir unseren ersten Stopp. Hier gab es den ersten, der Tour namensgebenden Glühwein. Steffen N packte schon mal eine große Box mit selbstgemachten Schokoplätzchen aus. Leider war unsere Zeitplanung nicht ganz optimal. Wir erreichten das Forsthaus Silbertal gegen 12 Uhr. Die nächste Einkehr sollte Lambertskreuz werden, wo wir um 12:30 Uhr einen Tisch reserviert hatten. Wie gerne hätten wir unsere Reservierung auf Lambi verschoben. Doch leider gab es im Silbertal keinen Empfang, so dass telefonieren und auch das Googeln der Telefonnummer vom Lambi unmöglich waren. Unser Mister Charming Andreas konnte doch die Bedienung des Forsthaus Silbersee zuerst überzeugen, dass wir mal das Festnetztelefon benutzen müssten und anschließend entlockte der Charmeur der jungen Dame auch noch das WLAN-Passwort. Somit konnten wir auf Lambi Bescheid geben, dass wir uns etwas verspäten würden.
Ein Glühwein war genug, wir machten uns dann umgehend wieder auf den Weg. Klar war aber auch, Silbertal liegt unten, Lambertskreuz oben. Also ging es wieder aufwärts. Innerhalb der nächsten 3 km ging es nochmal 200 Hm hinauf. Was mir hier sehr positiv auffiel war, dass unser alter Freund Lottel nicht wie gewohnt mit Andreas vorausfuhr, sondern sich am Ende des Feldes aufhielt. Respekt, dachte ich, das ist echte Kameradschaft. Doch weit gefehlt, Lottel hatte einfach Trainingsrückstand! Statt mit Highspeed über die Schwäbische Alb zu sausen, war er jetzt mehr im Downhill mit seinen Kids unterwegs. Und jeder, der Kinder hat weiß, anstrengende Bergauf-Fahrten sind für die Kleinen nichts. Da muss geshuttlet werden. Und somit geht auch die einst so bombastische Kondition flöten. Zur Ehrenrettung von Lottel muss natürlich gesagt werden, dass er zum einen mit dem Bike seiner Liebsten unterwegs war und zum anderen bei den Abfahrten locker lässig wie eh und je an mir vorbeigezogen ist. Da hatte ich nicht den Hauch einer Chance zu folgen. Gegen 13 Uhr erreichten wir schließlich unser zweites Ziel, Lambertskreuz. Glücklicherweise wurde für uns extra das Nebenzimmer in 1. Stock geöffnet. Somit hatten wir ordentlich Platz und konnten uns richtig ausbreiten. Schnell wurde die nächste Runde Getränke geordert, weitere Schokoplätzchen, Nüsschen und süße Leckereien ausgepackt und verzehrt. Selbstverständlich gab es auch ein warmes Mittagessen und noch eine Runde Getränke. Es wurde viel gefachsimpelt und über das für und wider von Lammfell-Einlegesohlen, über den Sinn und Zweck von Kamelhaardecken und das hin und her beim Hubschrauber im heimischen Schlafzimmer diskutiert.
Viel zu schnell verging die Zeit. Da wir uns fest vorgenommen hatten vor Einbruch der Dunkelheit aus dem Wald zu sein, machten wir uns gegen 16 Uhr auf den Weg. Um die Kälte abzuwehren, gab es einen leckeren Lumumba zum Abschluss. Dann trennten sich die Wege. Karl, Mülli, Schlotti und Andreas fuhren Richtung Wachenheim ab, der Rest nahm den Weg durchs Kaltenbrunnertal nach Neustadt. Mit dem Anbruch der Dämmerung kamen wir schließlich am Weihnachtsmarkt in Neustadt an, wo ein, diesmal sogar 2 Abschlussglühwein genommen wurden. Leider fuhr uns die S-Bahn direkt vor der Nase davon, so dass wir uns einen allerletzten Glühwein vor der Heimfahrt genehmigten.
Am Ende war die Glühweintour 2022 eben so toll, wie der Originalglühwein. Es hat viel Spaß gemacht einen unbeschwerten Tag mit den Freunden zu verbringen. Die nächste Glühweintour kommt auf jeden Fall, ich freu mich schon drauf.