Wir schreiben das Jahr 2009/2010. Fast täglich werden wir medial mit den Themen Hypothekenkrise, Kreditklemme, Bad Bank und Vulkanasche konfrontiert. Vieles, was uns seit jeher lieb und teuer erschien, scheint zu verschwinden. Die Hypo Real Estate – pleite, verstaatlicht, weg. Der Euro – auf Talfahrt, Griechenland pleite, auf dem besten Wege zu verschwinden. Der Flugverkehr – durch die Asche des Eyjafijallajökull lahmgelegt. Und dann auch noch das: Der Gäsbock Marathon wird 2010 zum letzten Mal veranstaltet. Letzte Ausfahrt Lambrecht eben. Wir Memmen sind verzweifelt. Schnell wird klar, da müssen wir nochmal hin. Und so meldeten sich 6 tapfere Outdoormemmen an, um am letzten Marathon teilzunehmen und so der Veranstaltung Respekt zu zollen.

Joggel, Steffen, Oli, Zeppi, Jens und Christian wollten und sollten die Memmendelegation darstellen. Und es kam wie so häufig in den Vorjahren. Während die Wochen vor dem Marathon mit sonnigem Wetter aufwarteten, schlug das Wetter in der Woche vor dem Start um. Statt wohliger Wärme nur Regen und Kälte. Wenigstens am Marathontag sollte es nicht mehr regnen. Eine Staublunge zu bekommen war daher unmöglich. So kamen wir dann auf verschiedenen Wegen in Lambrecht an: Joggel und Steffen mit dem Auto – eine entscheidende Abstimmung auf dem ZWC stand an und irgendwie haben die beiden bei der Festlegung des Abstimmungtermins gepatzt. Jens, Zeppi und Oli kamen mit der Bahn – so konnte dem Bier im Ziel ohne Reue gefrönt werden. Ich kam ebenfalls mit dem Auto – wollte der begabte Bastler doch seine selbst gebaute Fahrradhalterung ausprobieren. Wie dem auch sei, pünktlich trafen alle Memmen mehr oder weniger müde in der Turnhalle ein.

Super, die teuren Bikes konnten kostenlos auf einem bewachten Parkplatz abgestellt werden, während man sich einen Kaffee gönnte oder die Startnummer abholte. Klasse Idee!

9:30 Uhr: Der Start

Eine weitere klasse Idee war der Start aus verschiedenen Startblöcken. In 50er Gruppen wurde jeweils 5 Minuten zeitversetzt gestartet. So kam am Start erst gar keine Hektik auf. Schließlich ist der Gäsbock-Marathon kein Rennen. Schon nach ca. 1 Kilometer zweigte der erste Trail direkt von der Strasse ab. Asphalt sollte man für die nächsten Stunden keinen mehr sehen. Schmal, steil und matschig schraubte sich der Trail nach oben. Traumhaft die Routenführung – es wurden fast nur Singletrails ausgewählt. So wurden die ersten 350 Höhenmeter in 7 Kilometer abgespult. Es zeigte sich, dass eine konsequente Marathon-Vorbereitung Gold wert ist. Während der Schreiber dieser Zeilen am Vorabend auf dem Hoffest der Mayer Brauerei heftigst zur Musik von Grabowski bis Mitternacht gefeiert hatte, lag Jens schon seit Stunden nach einem stärkenden Nudelessen zu Hause in seinem Bettchen und schöpfte Kraft. So war es nicht weiter verwunderlich, dass Jens, Oli, Steffen, Joggel und Zeppi wie gedopt den ersten Anstieg hinauf jagten. Mir platzte fast der Schädel und keuchend und röchelnd radelte ich den Berg hinauf. Gottlob hatten unsere Technik-Helden auf dem folgenden Downhill nicht die Möglichkeit ihren Vorsprung auszubauen. Die Singletrails abwärts waren genauso glatt und rutschig. Außerdem wurden sie durch andere Teilnehmer ausgebremst. So erreichten wir dann alle fast zeitgleich die erste Verpflegungsstelle. Dort wurde den ausgepowerten Bikern Elektrolytgetränke und Bananen gereicht. Generös schlugen wir die dargebotenen Nährmittel aus. Stattdessen griffen wir dankbar und reichlich beim liebevoll mit Nutella geschmierten Hefezopf zu. Runter gespült wurde die süße, klebrige Scheibe mit Gäsbock-Milch. Der kokosartige Geschmack verriet uns Kennern – Batida de Coco. Unsere Energietanks wurde auf diese Art perfekt wieder aufgefüllt. Weiter ging die Tour. Steile Trails wechselten sich mit schnellen, flüssig zu fahrenden Passagen ab. Mir kam es vor, dass während der ersten 25 Kilometer kein Weg breiter als ein Handtuch war. Doch sobald man eine Waldautobahn befuhr, war der Spaß schnell beendet. Durch den lang anhaltenden Regen aufgeweicht, saugten uns diese weibischen Abschnitte die ganze Kraft aus den Beinen. Bei Kilometer 30 trennte sich die Spreu vom Weizen, will sagen die große von der kleinen Runde. Wie angekündigt zog sich der Weg zäh nach oben. Man hatte also genug Zeit sich zu überlegen welche Strecke man fahren will. Schon die ganze Zeit hatte ich ein unrhythmische Dröhnen in den Ohren. Plötzlich eine Fata Morgana: Mitten auf den Weg stand ein knallrotes japanisches Tor. Bei jedem Biker, der das Tor durchquerte, wurde ein großer Gong geschlagen. Dies waren die Geräusche, die mich während der Auffahrt an einen Hörproblem glauben liesen. Mit letzter Kraft durchquerte ich das Tor. Ein dumpfer Gongschlag kündigte mein Kommen an. Direkt hinter dem Tor erblickte ich dann eine Geisha, die auf einem Tablett Sushi darbot. Daneben ein Samurai Krieger mit Sake, einem belebenden japanischen Schnaps. So gestärkt machte die versammelte Memmenschar sich wieder auf den Weg. Dies war für die nächsten Minuten unser Gesprächsthema. So etwas hatten wir noch nie gesehen. Schon wenige Kilometer später erreichten wir die zweite Verpflegungsstelle in Esthal. Da wir früh gestartet waren, den ersten Anstieg in einem Höllentempo erstürmt hatten und wir jetzt auf der kurzen Runde unterwegs waren, trafen wir hier direkt zur Mittagszeit ein. Hier erlebten wir die nächste Überraschung. Auf einem Grill brutzelten leckere Saumagenscheiben und verbreiteten einen angenehmen Duft. Hungrig griffen wir am Grill zu. Zwei Brötchen mit Saumagen, eine köstliche Nutella-Hefezopf-Scheibe, schon waren wir Memmen satt und zufrieden. Doch leider holte uns gerade jetzt das Unglück ein. War es das hohe Anfangstempo, oder die Gäsbockmilch – Joggel schwächelte. Mit schmerzverzerrten Gesicht und Tränen in den Augen berichtete er, dass er auf Grund wahnsinniger Rückenschmerzen nicht mehr weiter fahren konnte. Er musste abkürzen und direkt nach Lambrecht abfahren. Jetzt, da das schwächste Glied der Kette entfernt war, ging es mit Highspeed weiter. Jedenfalls die nächsten 2 – 3 Kilometer. Mittlerweile traute sich auch die Sonne hinter den Wolken durchzublitzeln. Wie entfesselt jagten wir einen super Downhill Richtung Lambrecht hinunter. Nur noch 10, 12 Kilometer! Doch dann die Ernüchterung: Laut Höhenmesser fehlten noch gut 300 Höhenmeter. Eine Kurve und dann war klar, was kam. Ein langer, zäher Anstieg. Ca. 10% Steigung, feuchter, tiefer Boden, Herz was willst du mehr? Man legte also den kleinsten Gang ein, versuchte eine möglichst bequeme Sitzposition zu finden und kurbelte den Berg hinauf. Wie Kaugummi zog sich der Anstieg. Doch uns waren Gerüchte zu Ohren gekommen, dass am Ende des Aufstiegs ein Sonderverpflegungsstand zu erwarten war. Dies motivierte uns zusätzlich und gab uns die Kraft ohne Pause durchzufahren. Und tatsächlich, auf einmal tauchte ein Pavillon am Wegesrand auf. Hurtig wurde gebremst und die ersten der versprengten Memmengruppe sprangen vom Rad. „Na Jungs, was darf es denn sein: Weizenbier mit oder ohne Alkohol, Pils, Wein?“ Wir waren im Himmel angekommen! Neben den angebotenen Drinks gab es noch Käsewürfel, Camembert und herzhafte Salami, sowie frisches Baguette. Langsam trudelten dann auch die letzten Memmen ein. Eine Gruppe weiblicher Walkerinnen klärte uns auf, dass auch auf Jens nicht mehr lange zu warten wäre. Sie erzählten, dass der junge Mann mittlerweile vom Waldboden wieder aufgestanden sei und sich sein Krampf gelöst habe. Glücklich konnten wir unseren Benjamin schon wenige Minuten später in unserer Mitte begrüßen. Durch das dargereichte Bier und die deftige Brotzeit löste sich auch der letzte Krampf. Zudem wussten wir, dass es tatsächlich ab jetzt nur noch bergab ging. So stürzten wir uns in den finalen Downhill – letzte Abfahrt Lambrecht eben. Mit glühenden Backen und breitem Grinsen erreichten wir schnell Lambrecht und somit das Ziel. Rasch wurden die Bikes geparkt bzw. verstaut und alle Memmen in der Turnhalle vereint. Dort trafen wir wieder auf Joggel. Der hatte die Leitung der Veranstaltung fast übernommen und kümmerte sich um die Bilder nach der Zieleinfahrt.

Bei der After-Marathon-Party dann die Überraschung. Die Veranstalter des Marathons gaben uns bekannt, dass sie auch im nächsten Jahr wieder einen Gäsbock Marathon veranstalten wollten. Diese Mitteilung wurde mit stürmischem Applaus gefeiert.

Dieser Gäsbock Marathon war auf jeden Fall eine super Sache. Die Streckenführung war super, es wurden viele schmale Singletrais befahren. Die Organisation klappte tadellos. Die Strecke war perfekt gekennzeichnet, die Helfer waren freundlich und die Ideen mit der Gäsbock-Milch, dem japanischen Tor, den Saumagen Brötchen und dem Bierstand suchen ihres gleichen. Wir können nur hoffen, dass die Veranstalter die Sache auch im nächsten Jahr genauso gut hinkriegen. Vielleicht scheint ja auch mal die Sonne und es ist warm. Auf jeden Fall bin ich mir sicher, dass auch 2011 der Marathon ausgebucht ist. Wir werden mit Sicherheit wieder dabei sein. Dann eben zur allerletzten Ausfahrt Lambrecht.

Bis dahin, Kette rechts

Christian