Bouldern, Spinnen, Palatinocross

Männer auf Selbsterfahrungstour

Der Mann, über Jahrtausende war er der unbestrittene Herrscher über die Welt. Er führte Kriege, schloss Frieden und erlegte die Beute. Niemand wagte es sich ihm in den Weg zu stellen. Mit der Emanzipation der Frauen war dieses Leben schnell zu Ende. Und so kam es, dass ich im Internet eine MTB-Tour fand, die all den vergangenen Ruhm und Glorie zurückbringen sollte. Das Bildungswerk Sport schrieb einen MTB Palatinocross aus. Eine Tour in 4 Etappen von Neustadt – Finsterbrunner Tal – Hilschberghaus nach Weissenburg. Das klang gut, das war eine angemessene Herausforderung. Schnell war gebucht und die Kondition mit einigen Spinning Stunden aufgefrischt. Da ich noch nie eine gebuchte Tour mitgefahren war, war ich sehr gespannt wie die weiteren Teilnehmer so waren.

Dann kam endlich der Abfahrtstag. Wir schrieben Donnerstag den 21.05.2009. Pünktlich um 08:20 Uhr traf ich am Bahnhof Limburgerhof ein. Die Tourguides Joachim und Steffen waren auch schon da. Kritisch wurden die weiteren Teilnehmer beäugt, eingeschätzt und taxiert. Glücklicherweise sah keiner aus wie Karl Platt. In Neustadt war dann die Gruppe komplett beisammen.

Joachim, Steffen, Andrea, Martina, Willi, Wolfgang, Erhard, Jürgen, Arno, Franz, Uwe, Reinhard, Georg, Fred und ich (Christian) stellten uns der Herausforderung.

1. Etappe: Neustadt – Kaltenbrunnertal – Totenkopfhütte – Taubensuhl – Johanniskreuz - Finsterbrunnertal

Bahnhof Neustadt, 09:00 Uhr, die Sonne scheint. Noch sitzt die Frisur. Nachdem alle Teilnehmer der Tour den Zug verlassen haben und das obligatorische Gruppenfoto geschossen war, drängten die Tourguides zum Aufbruch.

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Bei herrlich warmen 24°C starteten wir unsere Tour. Gemächlich rollten wir uns auf dem Radweg zum Eingang des Kaltenbrunner Tals ein. Der Anstieg begann. Rund 400 Höhenmeter lagen vor uns. Eine stoische Ruhe trat ein. Jeder war gleich zu Beginn mit sich selbst beschäftigt. Doch schon nach wenigen Kilometern war es mit der Ruhe vorbei. Mitten im größten Steilstück hörte man es auf einmal laut und vehement krachen. Beim Schalten fiel Martina die Kette vom vorderen Kettenblatt und klemmte sich zwischen Kettenblatt und Rahmen ein – ein Chainsuck. Leider verhedderte und verklemmte sich die Kette derart, dass Steffen und Reinhard sie aufnieten mussten. Beide brillierten vor Martina mit ihrem technischen Geschick. Und schon 20 Minuten später schloss die Gruppe zum Hauptfeld auf.

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Im geschlossenen Feld fuhr die Gruppe zusammen zur Hellerhütte und weiter zur Totenkopfhütte. Die ersten knapp 400 Höhenmeter waren geschafft und noch keiner der Gruppe war zurück- oder ausgefallen. Noch recht entspannt zog die Karawane weiter zum Forsthaus Heldenstein und weiter über die "Hochstrasse" zum Taubensuhl. Im strahlenden Sonnenschein nahmen wir unser wohlverdientes Mittagsmahl ein. So gestärkt und ausgeruht ging es weiter zum Johanniskreuz. Die Mehrheit der Gruppe verzichtete dort auf das Bestaunen der Motorräder und man schlug auch die Tasse Kaffee und das Stück Kuchen für nur 10 Euro aus. Erbarmungslos trieben uns die Guides weiter und weiter. Unser Weg führte dann durch ein traumhaftes Tal, das Karlstal. Wir folgten einem Bachlauf und überquerten diesen mehrfach über idyllische Stege und Brücken. Einfach wie im Traum.

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Der Weg mündete im Finsterbrunnertal und schon wenige Minuten später erreichten wir unser Ziel, die Finsterbrunner Hütte. Müde, aber zufrieden gönnten wir uns noch das ein oder andere Bierchen, beziehungsweise den ersten Rotwein.

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Tourdaten:
53,06 km, Fahrzeit: 3h 47min, Durchschnitt 13,9 km/h, Max. 39,0 km/h
839 m Steigung, 646 m Abfahrt, Max. Steigung 19%, Temperatur: 18° - 33°C

2. Etappe: Finsterbrunnertal– Heltersberg – Merzalben – Hilschberghaus

In der Nacht regnete es. Mit dem Morgengrauen verschwanden auch die Regenwolken. Nach einem leckeren Frühstück starteten wir bei trockenem Wetter in die 2. Etappe. Der Himmel war wolkenverhangen und uns drohte ein erneuter Regenschauer. Unser Weg führte uns vom Finsterbrunnertal an den weltberühmten Orten Schopp und Geiselberg vorbei Richtung Heltersberg. Der Himmel zog sich derweil immer stärker zu. Da tauchte plötzlich wie aus dem Nichts das Naturfreundehaus Heltersberg vor uns auf. Spontan beschlossen wir ein erweitertes Frühstück mit Cappuccino und leckerem Hüttenkuchen einzunehmen.

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Nachdem alle Teller geleert waren, kam dann auch zur Belohnung die Sonne wieder raus. Von Heltersberg aus radelten wir nun bei bestem Kaiserwetter durch Schwarzbachtal und weiter Richtung Leimen. Einen kulturellen Zwischenstopp legten wir auf der Burg Gräfenstein ein.

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Nach einer ausgiebigen Besichtigungstour und dem obligatorischen Gruppenbild ging es hinab zur Gräfenstein Hütte. Dort wollten wir unser Mittagessen einnehmen. Doch leider war die Hütte geschlossen. Um nicht allzu früh das Etappenziel zu erreichen, beschloss man kurzerhand an der Hütte ein wenig Sonne zu baden. Piz Buin stand auf dem Plan. Schnell waren die Trikots ausgezogen und zum Teil am Fahnenmast hinaufgezogen. So lüftet die Funktionskleidung am besten aus. Man streckte den Körper der Sonne entgegen. Mittlerweile war kein Wölklein mehr am Himmel zu sehen. Die Temperaturen waren jenseits der 30°C Marke angelangt.

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Doch auch die schönste Pause muss einmal zu Ende gehen und nachdem die verstreuen Kleider eingesammelt waren und jeder sein eigenes Trikot an hatte ging es dann auch weiter.

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Es waren schließlich noch ein paar Kilometer zu radeln. Schnell, weil ausgeruht, kamen wir nach Merzalben und erreichten mit sonnenverbrannten Gesichtern das Hilschberghaus in Rodalben. Bei einer ordentlichen Portion Hausmannskost genossen wir die letzten Sonnenstrahlen auf der Terrasse.

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Reinhard führte uns dann noch in die Geheimnisse des Boulderns ein. Mehr oder minder elegant kletterten – natürlich ohne Seil und Haken, den Tod im Nacken – zuerst Reinhard, danach Joachim, Willi und Steffen und letztendlich auch ich rund um den Tisch. Mit viel Mühe und ohne Verletzungen gelang uns das Kunststück unter den bewundernden Blicken der mitgereisten Damen. Der erste große Erfolg auf unserer Selbsterfahrungstour. Nach dieser zweiten körperlichen Höchstleistung und der nachgeschalteten Freudenfeier gönnten wir unseren Körpern endlich den erholsamen Schlaf.

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Wie Schneewitchens Zwerge lagen wir in Reih und Glied nebeneinander auf unseren Matratzen.

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Nachdem auch der letzte Schnarcher ignoriert war, fanden wir früher oder später den gerechten Schlaf.

Tourdaten:
45,65 km, Fahrzeit: 3h 53min, Durchschnitt: 11,7 km/h, Max. 49,0 km/h
1026 m Steigung, 965 m Abfahrt, Max. Steigung 22%, Temperatur: 16° - 33°C

3. Etappe: Hilschberghaus – Hinterweidenthal – Drachenfels – Dahn

Der 3. Tag begann genauso verheißungsvoll wie der zweite Tag geendet hatte. Am Himmel strahlte die Sonne mit uns um die Wette. Schon am frühen Morgen zeigte das Thermometer 21°C, Tendenz steigend. Nachdem sich auch die älteren Jungs auf der Wippe ausgetobt hatten und niemand heruntergefallen war, ging es ohne Tränen los.

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Jedoch dauerte unsere Fahrt nicht allzu lange. Im Dörfchen Neuhof wurde Europa- und Kommunalpolitik betrieben. Will heißen am Dorfbrunnen drängten sich die Werbestände der FWG und SPD dicht aneinander. Wir, politisch sehr interessiert, nahmen daher die angebotenen Brezeln und den dargereichten Rotwein der FWG dankbar an und plauderten ein wenig über große Politik. Das konnte der SPD Stand natürlich nicht so hinnehmen. Sofort wurde jeder Biker mit 2 Täfelchen Schokolade beglückt – endlich mal Politik die schmeckt und Spaß macht!

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Aber der Weg ist das Ziel und so rollten wir dann nach der unverhofften Pause locker weiter. Münchweiler und Hinterweidenthal ließen wir hinter uns liegen und quälten uns hinauf zur Dicken Eiche. Nur ein kurzer Halt zum stillen Gebet am Winterkircherl war uns vergönnt.

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An der Dicken Eiche kam es dann fast zur Meuterei. Ein zugegeben kleinerer Teil der Gruppe wollte sein Mittagsmahl im Schatten der Bäume einnehmen. Die Guides scharten jedoch den größeren Teil der Gruppe um sich und demonstrierten uns die morgens erlernten Grundzüge der Demokratie. Wir fuhren weiter. Glücklicherweise ging der Weg fast nur bergab und endlich hatten auch unsere Tourguides ein Einsehen. Am Bühlerhof ließen sie uns anhalten. Bei hausgemachter Brennesselsuppe und Rührei mit Schinken wurden die leeren Energietanks wieder aufgefüllt und frische Kraft getankt, was sich später noch rächen sollte.

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Jetzt trat an Martinas Bike wieder ein rein männliches Problem auf: Ein steifes Glied. Fachkundig nahm sich Steffen der Sache an und mit etwas Fummelei war die Sache ganz unspektakulär geklärt. Jedenfalls für's erste.

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Etwas später war dann nach einem kurzen Anstieg endgültig Schluss. Es wurde zur finalen Maßnahme, der Amputation gegriffen. Schnell war das störrische Kettenglied ausgenietet. Problemlos konnte Martina mit verkürzter Kette die Tour fortsetzen. Zum Abschluss der Etappe wurde nun der Drachenfels ins Visier genommen. Mit 200 Puls erreichten wir keuchend den Aussichtspunkt. Nach einer rasanten Abfahrt ging es weiter nach Bruchweiler – Bärenbach und schließlich erreichten wir das Ortszentrum von Dahn. Bei weit über 30°C Außentemperatur hatten wir uns ein Eis redlich verdient. Gierig wurde die kalte Leckerei am Dorfbrunnen vernichtet.

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Jetzt nur noch hoch zur Dahner Hütte, unserem Etappenziel. Beim letzten Zielsprint zeigten uns die Senioren noch einmal wo der Hammer hängt. Reinhard spurtete wie einst Mario Cipollini als erster durchs Ziel. Willi dagegen, gestärkt noch vom Mittagessen, trat derart fest in die Pedale, dass sich die Kette unter dieser brachialen Belastung verzog. Diesen Waden kann man kein irdisches Material in den Weg stellen. Letztlich resultierte dieser heftige Kraftimpuls auf die Kette in einem kurzen Fußmarsch zum Ziel. Geschlagen trottete Willi sein Bike schiebend zur Hütte. Doch der Schaden war schnell behoben. Durch das häufige Üben an Martinas Kette, konnte der Defekt unter fachkundiger Anleitung schnell und gut repariert werden.

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Einen Wehmutstropfen hatten wir dann doch noch zu verdauen. Martina teilte uns mit, dass sie die Tour hier und heute abbrechen würde. Die fadenscheinige Ausrede noch Freunde aus Belgien auf den Dahner Campingplatz besuchen zu wollen nahmen wir mit versteinerten Blicken und Tränen in den Augen hin. Wir mussten uns über diesen herben Verlust mit zahlreichen Elwedritsche-Schnäpsen hinwegtrösten.

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Als wird dann bei der Spezialität des Hauses ankamen, nämlich in Senf gedippte Chips, konnten wir wieder lachen. In dieser Nacht schliefen alle wie die Murmeltiere.

Tourdaten:
56,41 km, Fahrzeit: 4h 27min, Durchschnitt 12,6 km/h, Max. 50,5 km/h
1032 m Steigung, 1078 m Abfahrt, Max. Steigung 23%, Temperatur: 17° - 42°C

4. Etappe: Dahn – Fischbach – Nothweiler – Weissenburg

Der 4. und letzte Tag begann super sonnig. Frohen Mutes machte sich die dezimierte Gruppe auf den Weg. Von der Dahner Hütte aus ging es nach Fischbach, vorbei am Biosphärenhaus nach Schönau. Jetzt begann der harte Teil der Etappe. Von Schönau auf 229 m Höhe ging es steil bergauf zur Wegelnburg auf 519 m Höhe.

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Mit roten Köpfen und brennenden Beinen erreichten wir die Burg. Nach einer kurzen Besichtigungstour ging es dann direkt weiter zur Hohenbourg im Elsass.

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Wir waren in Frankreich angekommen. Schließlich erreichten wir auch noch die Löwenburg - wieder auf deutschem Boden. Glücklicherweise liegen alle drei Burgen fast auf gleicher Höhe. Auf der anschließenden Abfahrt nach Nothweiler verloren wir unseren treuen Freund Georg. Ein Platten ließ ihn den Anschluss an die Gruppe verlieren.

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Doch wir wären keine Freunde gewesen, wenn wir die Reifenreparatur nicht als Pause genutzt und auf ihn gewartet hätten. So kamen wir alle gemeinsam in Nothweiler an. In Nothweiler wurde traditionell Flammkuchen gegessen. Wie immer einen halben herzhaften Flammkuchen und einen halben süßen Flammkuchen. Eben wie immer. So gestärkt nahmen wir den letzten Aufstieg unserer Tour in Angriff. Wir erklommen den fiesen Anstieg zur Eisenerzgrube. Von dort rollten wir locker über Bobenthal nach Weissenburg aus.

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Das Ziel war erreicht. Glücklich und müde bestiegen wir den Zug zurück nach Limburgerhof.

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Tourdaten:
42,08 km, Fahrzeit: 3h 04min, Durchschnitt 13,7 km/h, Max. 53,5 km/h
745 m Steigung, 827 m Abfahrt, Max. Steigung 23%, Temperatur: 17° - 47°C

Gesamtstrecke:
197,20 km, 3642 m Steigung, 3526 m Abfahrt

Fazit:

Dies war meine erste gebuchte Biketour. Im Vorfeld war ich sehr skeptisch wie eine Gruppe aus 15 Leuten so eine Tour gemeinsam überstehen soll. Sind möglicherweise schwache Fahrer dabei auf die man permanent warten muss? Oder versauen einem etwa permanente Nörgler den Spaß? Nein, nichts dergleichen war dabei. Die Gruppe passte konditionell und fahrtechnisch perfekt zusammen. Es gab keinen Streit, kein böses Wort. Selten habe ich mich in einer Gruppe so schnell wohl gefühlt. Dafür möchte ich mich bei allen bedanken.

  • Die Tour war perfekt vorbereitet – großes Lob an Steffen und Joachim.
  • Die Mädels waren top in Form (und das nicht nur konditionell ;-)) – Respekt Andrea und Martina.
  • Die Alten haben gezeigt, dass sie noch längst nicht zum alten Eisen gehören – Willi, Reinhard ihre seid meine Vorbilder.
  • Die starken Fahrer haben sich immer zurückgehalten – Georg, Franz, ich weiß dass ihr noch eine Schippe mehr hättet drauflegen können.
  • Stürze gab es während der Tour keine – Arno, Jürgen, was auf dem Heimweg nach Waldsee passiert zählt nicht mehr dazu.
  • Immer vorne dabei und nie geklagt, wenn der Weg steil war – Uwe, Wolfgang schön dass ihr dabei wart.
  • Auch kräftigere Menschen kamen immer mit – Erhard, ich denke wir zwei haben die meisten Kalorien verbrannt.
  • Größten Respekt an Fred. Er hat bewiesen, dass man solch eine Tour auch auf einem Trekkingrad bewältigen kann. Beim nächsten mal will ich aber ein Mountainbike sehen!

Zum Schluss möchte ich meine Hoffnung äußern, dass so eine Tour nochmals ausgeschrieben wird. Ich bin auf jeden Fall dabei.

So long

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P.S: Was Widipekia so sagt: Bouldern (abgeleitet von engl. boulder = Felsblock) ist das Klettern ohne Kletterseil und Klettergurt an Felsblöcken, Felswänden oder in der Kletterhalle in Absprunghöhe.