Herbst. Draußen ist es am späten Nachmittag bereits dunkel. Es ist neblig. Feuchtigkeit und Kälte sind deutlich spürbar. Sehnsüchte nach ausgedehnten Touren am Abend werden wach. Die im Laufe der Saison erworbene Fitness droht zu schwinden. Was tun? Zum Glück gibt es ja ständig neue Trends. Um der miesen Spätjahresstimmung des Bikers entgegen zu wirken, bietet sich da das Spinning, auch als Indoor Cycling bekannt, an. So machem Ganzjahresfahrer streuben sich beim Gedanken daran sofort die Haare. Auf der Stelle fahren? Und dann auch noch in einem Raum bei mieser Luft? Überall wird darüber gesprochen. Selbst frühere Sportmuffel haben es schon probiert und sind begeistert. Höchste Zeit also für einen Selbstversuch der Outdoormemmen. Auch bei unserer bevorzugten Squash-Location wird Indoor Cycling angeboten. Dafür wurden eigens vormals als Tennis-/Badminten-Plätze genutzte Flächen umfunktioniert. So stand der Ort für unseren Test schnell fest ... Montag abend. Umkleide. Im Vorfeld bewegten uns wichtige Fragen: Wie realitätsnah ist unser bevorstehendes Erlebnis? Fährt man da mit oder ohne Unterhose? Braucht man Windstopper gegen den Fahrtwind? Sind Müsliriegel für den Ausritt notwendig? Nimmt man Schuhe mit oder ohne Klickies? 19:00. Die erste Enttäuschung. Bei uns sitzen Sie in der ersten Reihe. Es sind nur noch ganz vorne Plätze frei. Statt auf schöne trainierte weibliche Hinterteile zu starren, schauen uns Anfängern alle Teilnehmer der hinteren Reihe zu. Wir nehmen die Bikes kritisch ins Auge. Keine Federgabel, keine Dämpfer. Wo ist hier eigentlich die Schaltung? Wo der Bremshebel? Unsere Vorstellung eines Bikes sieht anders aus. Wir verstellen Sattel und Lenker. Unsere Tour-Leiterin Moni erkennt uns sofort als blutige Indoor Cycling Anfänger und hilft bei der Findung der korrekten Sitzposition. Dank unserer einheitlichen Shirts haben wir sofort die Bezeichnung Gelblinge weg. Der Einfachheit halber werden wir noch durchnummeriert. Doch nun gehts los. Wir starten zum Warmfahren bei wenig Tretwiderstand und schnellen Beats. Das Ziel ist, im Takt zu treten. Moni gibt den Rhytmus vor. Wenn die BPM (beats per minute) abnehmen, erhalten wir den Auftrag den Tretwiderstand durch Verdrehen eines Rädchens zu erhöhen. Es werden langezogene virtuelle Anstiege erklommen, gefolgt von schnellen Abfahrten. Zwischendrin folgen immer wieder Entspannungsphasen. Moni schätzt uns aufgrund unserer großen Klappen plötzlich als Hardcore-Sportler ein. Sie wird vom Ehrgeiz gepackt. An diesem Abend hat sie nur noch ein Ziel: Die Gelblinge werden fertig gemacht. “Wenn es Euch zu viel wird, bleibt im Sattel sitzen und nehmt den Widerstand zurück. Aber nicht die Gelblinge. Die müssen aufstehen und noch fester treten.” Während wir mittlerweile tropsen wie Kieslaster, lächelt uns Moni permanent süß an und sieht dabei immer noch frisch aus. Sie observiert uns und hofft auf Anzeichen von Schwäche. Aber wir lächeln einfach zurück. Es ist ungewohnt, sich einen Rhytmus vorgeben zu lassen. Im freien Gelände fährt jeder sein eigenes Tempo. Doch hier bekommt man einen fremden Willen aufgezwängt. Man läßt sich von der Menge und der Gruppendynamik mitreißen. Mittlerweile sind wir 45 Minuten unterwegs. Es geht dem Endspurt entgegen. Das Tempo nimmt noch einmal zu. Wir radeln langsam aus und gehen unter der Anleitung von Moni zum Stretching über. Auch das eine neue Erfahrung, denn das lassen wir normalerweise, entgegen anderweitigen Empfehlungen, ausfallen. Nach den vielen Touren und Marathons in diesem Jahr fühlt sich keiner von uns k.o. Aber geschwitzt haben wir und dabei jede Menge Kalorien, oder besser Joule, verloren. Es hat Spaß gemacht. Wären wir nicht in der Menge gefahren, hätte jeder Einzelne sicher früher aufgehört. Das Gemeinschaftserlebnis motiviert. Wir sind uns einig, dass Indoor Cycling kein Ersatz für echte MTB-Touren unter freiem Himmel ist. Die Belastung dabei ist nicht mit der Anstrengung beim Uphill zu vergleichen. Die psychische und technische Herausforderung eines ständigen wechselnden Untergrundes mit Wurzeln, Furchen und Steinen fehlt völlig. Die Endorphin-Ausschüttung beim Erreichen des Gipfels bleibt ebenso wie der Spaß beim Downhill aus. Die Luft in der großen Halle ist besser als erwartet, aber natürlich nicht so sauerstoffreich wie gewohnt. Das Gefühl des Abenteuers fehlt. Dennoch ist Indoor Cycling eine gute Ergänzung zum Biken. Es hilft die Kondition durch die Wintermonate zu erhalten oder vor Beginn der neuen Saison aufzubauen. Und was meinte Moni zu unserer ersten Tour? “Ihr habt mir noch zuviel geschwätzt.” Die spinnen halt die Outdoormemmen ... |